Neue Wege bei der Produktion und Auswertung von dokumentarischen Filmen und Serien standen im Mittelpunkt von drei Gesprächen beim virtuellen 5. NRW-Dokutag der Film- und Medienstiftung NRW. Stefano Strocchi, Regisseur, Produzent und Geschäftsführer bei der Berliner Produktionsfirma Unknown Media, gab einen Einblick in den Entstehungsprozess der sechsteiligen Serie „Art Crimes“. Darin werden spektakuläre Kriminalfälle in der Kunstszene anhand von dokumentarischem Material und Reenactment-Szenen nachgezeichnet. Der Markt bewege sich nicht zuletzt aufgrund der Nachfrage der Streamer eindeutig in Richtung High-End-Produktion, betonte Strocchi gegenüber Moderatorin Ute Soldierer. „Art Crimes“ sei mit insgesamt rund 2,1 Millionen Euro budgetiert. Um den finanziellen Aufwand stemmen zu können, hat der Produzent Partner aus mehreren Ländern, darunter RBB, Arte und Sky Italia, mit ins Boot geholt. Zudem sei die höchstmögliche Förderung aus dem „TV Programming“-Segment von Creative Europe MEDIA in das Projekt eingeflossen. Frühzeitig habe sich auch der Vertrieb MetFilm Sales für „Art Crimes“ engagiert, so Strocchi. Mittlerweile seien Presales an neun Sender in Europa abgeschlossen worden.
Der als Mischung aus dokumentarischen Elementen und Fiktion erzählte Jesus-Film „Das neue Evangelium“ von Regisseur Milo Rau war ebenfalls Thema eines Talks unter der Leitung von Sonja Hofmann, Geschäftsführerin des Filmbüro NW. Der in Raus Film gezeigte Jesus-Darsteller Yvan Sagnet setzt sich nicht nur in dieser Rolle für ausgebeutete Migranten im Süden Italiens ein, sondern auch als Aktivist im wirklichen Leben. Durch den Film habe man Sagnets Projekte unterstützen und eine erfolgreiche Produktion von fair gehandelten Tomaten in Gang bringen können, berichtete der Regisseur. Bemerkenswert an „Das neue Evangelium“ ist allerdings auch seine Auswertung, denn diese wurde aufgrund der Kino-Schließungen kompletten in den digitalen Bereich verlagert. Zuschauer konnten ein 24 Stunden gültiges Streaming-Ticket erwerben und ein Kino ihrer Wahl am Erlös beteiligen. Mit rund 12.000 Zuschauern sei die Aktion ziemlich erfolgreich gewesen, erklärte Jan Krüger, Geschäftsführer des Verleihs Port au Prince. Er sieht eine hybride Auswertung auf der Leinwand und im Online-Bereich als mögliches Zukunftsmodell. So könne gerade im Dokumentarfilm-Bereich womöglich insgesamt ein größeres Publikum erreicht werden. Den Kino-Erfolg von „Das neue Evangelium“ in der Schweiz, obwohl dort zuvor schon eine Streaming-Auswertung stattgefunden hatte, führte Krüger als positives Beispiel an.
Auch „100.000 – Alles, was ich nie wollte”, ein Dokumentarfilm über die musikalischen Aktivitäten des Youtubers Fynn Kliemann, konnte aufgrund der Pandemie nicht wie geplant in den Kinos starten. Über die alternative Herausbringung sprachen Henriette Ahrens, Geschäftsführerin des Verleihs Notsold und Produzentin bei curlypictures, sowie Ole Hellwig, Geschäftsführer von Notsold sowie Geschäftsführer und Executive Producer bei curlypictures, mit Moderatorin Ute Soldierer. „100.000“ sollte demnach für einen Tag als Alternative Content auf die Leinwand kommen. Die stattliche Zahl von fast 200 Kopien sei dafür vorbereitet gewesen, berichtete Hellwig. Bei der Verlagerung in den Online-Bereich sei die große Herausforderung gewesen, den Event-Charakter zu erhalten. Dies wurde zumindest für einen Teil der insgesamt 120.000 Zuschauer mit der Zusendung von „Kino-Carepaketen“ erreicht. Enthalten waren u.a. ein individuell gestaltetes Ticket, ein Plakat und eine Anleitung zum Zubereiten von Popcorn. Auch Kinobetreiber hätten von der Online-Auswertung profitiert, so Ahrens. Auch in diesem Fall konnten die Zuschauer ein Lieblingskino auswählen, das dann von Notsold mit einer Spende von 25 Prozent des Ticketpreises bedacht wurde. So seien insgesamt rund 250.000 Euro an die Lichtspielhäuser ausgeschüttet worden.