Das 20. Jubiläum des Gerd Ruge Stipendium stand in der zweiten Hälfte des virtuellen 5. NRW-Dokutags der Film- und Medienstiftung NRW thematisch im Vordergrund. Dabei gab es in Gesprächen mit Moderatorin Ute Soldierer auch Einblicke in die Arbeit der diesjährigen Jury und Statements der von ihnen als Stipendiaten ausgewählten Filmemacher*innen.
Einer der vier Branchenvertreter*innen, die 2021 neben der vorsitzenden Filmstiftungs-Geschäftsführerin Petra Müller die Jury für das Gerd Ruge Stipendium bilden, ist Arne Birkenstock. Der Geschäftsführer und Produzent bei der Kölner Firma Fruitmarket lobte den sehr konzentrierten inhaltlichen Austausch in der Jurysitzung. Die eingereichten Projekte böten auch einen interessanten Überblick über das, was Kolleg*innen gerade bewege. Es werde ein riesiges Spektrum an Stoffen, Herangehensweisen, Themen und Formen geboten. Die Jurorin Christiane Büchner war 2005 mit ihrem Projekt „pereSTROIKA – umBAU einer Wohnung“ selbst Stipendiatin gewesen. Umso sorgsamer gehe sie heute bei der Bewertung der eingereichten Stoffe vor, betonte die Autorin, Regisseurin und dramaturgische Beraterin für Dokumentarfilme. Seinerzeit hätte sie ihren Film ohne das Stipendium gar nicht finanziert bekommen, so Büchner weiter. Auch bei der Partnersuche für das Projekt sei diese Anerkennung sehr hilfreich gewesen.
Carl-Ludwig Rettinger, Geschäftsführer und Produzent bei Lichtblick Film, schilderte, wie sich die Jury ein Bild von den Bewerbern mache. Zum Beispiel werte das Gremium auch deren frühere Arbeiten aus. Daran lasse sich ablesen, ob jemand ein Basistalent im Umgang mit Bildern mitbringe, so Rettinger. Bei eingereichten Texten gehe es für ihn nicht in erster Linie darum, was jemand schreibe, sondern wie. Doris Metz, Publizistin, Dokumentarfilm-Regisseurin und langjähriges Mitglied der Ruge-Jury, hob hervor, dass alle Mitglieder des Gremiums – egal in welcher Besetzung sie es erlebt habe – stets ernsthaft und intensiv um die richtige Auswahl der Preisträger bemüht gewesen seien. Die Wichtigkeit der Förderung sei allen bewusst. Metz stellte auch einen der diesjährigen Stipendiaten vor: An „Motherlands“ von Sikander Goldau hob sie das ausgefeilte visuelle Konzept und die erzählerische Opulenz hervor. Goldau, dessen Projektentwicklung mit 30.000 Euro gefördert wird, will sich in dem Film auf die Suche nach seinen Wurzeln in Pakistan begeben. Dort kam er Ende der 60er Jahre bei einer geheim gehaltenen Geburt auf die Welt und wurde wenig später von einer deutschen Missionsärztin adoptiert.
Ebenfalls mit einem Gerd Ruge Stipendium in Höhe von 30.000 Euro wird Banu Kepenek ausgezeichnet. Die Berliner Filmemacherin thematisiert in „Avrupa Ekspres“ die Geschichte zweier Brüder, die in den 70er Jahren den marktführenden Vertrieb für türkische Musik in ganz Europa aufbauten. Zufällig hatte Kepenek entdeckt, dass die beiden aus demselben kleinen anatolischen Dorf stammen wie ihre Großeltern. Mit 20.000 Euro wird Katja Fedulova bei ihrem Projekt „Wiederkehr“ unterstützt. Die Filmemacherin, die selbst aus Russland stammt, thematisiert darin die Situation der muslimischen Krimtataren nach der Annexion der Halbinsel durch Russland im Jahr 2014. Ebenfalls ein Stipendium in Höhe von 20.000 Euro geht an Nicole Wegner für „The Culture Wars“. Sie wirft in dem dokumentarischen Essay-Film einen Blick auf politische Aktivisten im digitalen Zeitalter. Dabei will die Filmemacherin und Editorin auch stilistisch an Sprache und Gestaltungselemente aus der Online-Welt anknüpfen.