Anatolien Ende der 60er-Jahre. Muammer und Yavuz Uzelli, träumen wie so viele junge türkische Männer in dieser Zeit von Wohlstand in Europa. Als sogenannte Gastarbeiter verschlägt es die zwei Brüder in die hessische Metropole Frankfurt am Main. Muammer der Ältere, verdient sich zunächst über Importwaren wie zum Beispiel türkische Teekannen oder Gebetsketten, die er aus seinem Kofferraum verkauft, seine Brötchen. Zu diesem Zeitpunkt ahnt noch niemand, dass Muammer und Yavuz die aus einem 800 Seelen-Dorf im Herzen Anatoliens kommen, ein Stück Popkultur-Geschichte schreiben werden.
Frankfurt am Main 1970. Die zwei Bruder merken bald, dass die Sehnsucht nach heimischer Musik unter den türkischen Migranten die Nachfrage nach Gebetsketten abgelöst hat und ein lukratives Geschäft darstellt. Sie satteln auf Schallplatten und Kassetten aus der Heimat um. Der Geist der 68er Bewegung und der damit verbundene psychedelische E-Gitarren-Sound finden bereits einige Jahre zuvor ihren Weg in die türkische Populär-Musik. So sind die ersten Tonträger, die die beiden Brüder in Deutschland vertreiben, vor allem Veröffentlichungen aus dem Anadolu-Rock-Genre, deren Protagonisten es verstanden, traditionelle Narrative mit dem Sound der HippieGeneration zu fusionieren. Die Faszination für diese neue Musik überlebt Jahrzehnte und findet ihren Weg in die Berliner Club-Szene, um sich zu einem kultigen Geheimtipp zu entwickeln. Uzelli avanciert zwischen 1970 und 1990 zum marktführenden Vertriebslabel für türkische Musik in Europa und vor allem in Deutschland. Heute bietet die Firma Uzelli den globalen Konkurrenten die Stirn, ohne den Fokus aus den Augen zu verlieren: gut kuratierte Musik für eine millionenmenschengroße Diaspora. Berlin 2020. Lockdown. Ich erstelle mir Playlisten auf Youtube, um der Langeweile zu entkommen und stoße dabei auf einen Song, der mir besonders gut gefällt. Als Kind meiner Generation poste ich das Plattencover „Uzelli Psychedelic“ auf meiner Instagramseite. Prompt erhalte ich eine Nachricht. Yunus, der Sohn des besten Freundes meines vor Kurzem verstorbenen Vaters, der in Frankfurt am Main lebt, reagiert auf meine Instagram-Story.
– Hahahah, wo hast du das her?
– Ich bin zufällig drauf gestoßen.
– Frag mal deine Mama wer Uzelli ist! Gesagt getan.
Ich: „Hallo Mama, kennst du einen Muammer Uzelli?
Mama: „Klar, das ist der Ehemann von Omas bester Freundin.“
Mit wird warm ums Herz. Wie es der Zufall so will, kommen meine Eltern und Großeltern aus demselben 800 Seelen Dorf aus dem die Uzelli Brüder stammen. Hier beginnt meine Reise.
Mit dem Avrupa Ekspres von Anatolien über Istanbul nach Frankfurt am Main und Berlin. Eine Reise voller unglaublicher Geschichten, geplatzten Träume, aber auch Wohlstand und Anerkennung. Unterlegt mit dem passenden Soundtrack nimmt der Avrupa Express uns mit auf einen unvergesslichen Trip – Musik, Migration und Moneten.