Senta Berger:
Österreichisch-deutsche Schauspielerin und Produzentin. Die gebürtige Wienerin hat mehr als ein halbes Jahrhundert deutsche Film- und Fernsehgeschichte geprägt, begann Ende der 50er-Jahre im Heimatfilm, gehörte als „Fräuleinwunder“ zu den begehrten Filmimporten in Hollywood, war Filmstar in Italien, mit dem Jungen Deutschen Film in Berührung und sorgte seit den 90er-Jahren mit klugem Rollenwandel in Serien und TV Movies für gehobene Fernsehunterhaltung. Politisch engagiert, aufgeschlossen für Zeitströmungen, war Senta Berger von 2003-2010 erste Präsidentin der Deutschen Filmakademie und mit der mit Ehemann Michael Verhoeven 1968 gegründeten Produktionsgesellschaft Sentana entscheidend im deutschen Filmschaffen tätig.
Senta Bergers Rollenspektrum in Film, Fernsehen und Theater zeugt von der enormen Wandlungsfähigkeit der Charakterdarstellerin, die alles spielen kann: Wiener Maderl, sexy Girl und lüsterne Prinzessin, verführerische Geliebte, Hochstaplerin, taffe Agentin und Gangsterliebchen, handfeste Taxifahrerin, patente Ärztin und Lehrerin und die charmante Dame der Gesellschaft, die sich durch ein hohes Maß an Selbstreflexion auszeichnet. Senta Berger hat mit deutschen Stars wie O.W. Fischer („Es muss nicht immer Kaviar sein“), Klaus Kinski, Mario Adorf, Martin Held, Joachim Fuchsberger, Bruno Ganz und Helmut Griem sowie mit Weltstars wie Alain Delon („Mit teuflischen Grüßen“), Kirk Douglas („Der Schatten des Giganten“), Charlton Heston und Richard Harris („Sierra Chariba“), James Coburn („Steiner – Das Eiserne Kreuz“), Dean Martin („Wenn Killer auf der Lauer liegen“), George Segal („Quiller Memorandum“), Ugo Tognazzi („Einsame Herzen“) und Marcello Mastroianni („Die zwei Leben des Matthias Pascal“) gearbeitet.
Senta Berger wurde 1941 in Wien als Tochter eines Musikers und Handwerkmeisters und einer Lehrerin geboren, erhielt Ballettunterricht und besuchte das Max-Reinhardt-Seminar, das sie 1957 verlassen musste, weil sie eine kleine Rolle im Film „Die Reise“ (mit Yul Brynner) angenommen hatte. 1958 war sie jüngstes Ensemblemitglied des Wiener Theaters in der Josefstadt, wandte sich vermehrt dem Film zu und spielte in Filmen des Produzenten Artur Brauner („Der brave Soldat Schweijk“, „Das Testament des Dr. Mabuse“). Die Mitwirkung in den US-Filmen „Geheime Wege“ und „Die Sieger“ ebnete ihr den Weg nach Hollywood, wo sie zum Weltstar avancierte, auf dem Cover von LIFE erschien und unter der Regie von Sam Peckinpah („Sierra Chariba“) und Bond-Regisseur Terence Young („Mohn ist auch eine Blume“) spielte. Ende der 60er-Jahre kehrte sie nach Europa zurück und spielte in Italien und Frankreich in verschiedenen Genres: Gaunerkomödie („Unser Boss ist eine Dame“), Krimi („Frühstück mit dem Killer“), Gesellschaftssatire („Roma bene“) und Steinzeit-Groteske („Als die Frauen noch Schwänze hatten“).
Auf ein kurzes Gastspiel im Jungen Deutschen Film („Die Moral der Ruth Halbfass“) und weitere italienische Produktionen („Die nackte Bourgeoisie“) folgte ab 1989 Bergers produktivste Zeit. Die Serien „Die schnelle Gerdi“, „Kir Royal“ und „Dr. Schwarz und Dr. Martin“ schrieben TV-Geschichte. Berger verkörperte in TV-Filmen wie „Scharf aufs Leben“ und „Zimmer mit Frühstück“ Frauen in mittleren Jahren, die einen neuen Aufbruch wagen und wird Modell für Frauen ihres Alters. Bergers Kriminalrätin und interne Ermittlerin Dr. Eva Prohacek ist seit 2002 in der ZDF-Reihe „Unter Verdacht“ eine der profiliertesten aller Kommissarinnen des deutschen Fernsehens, in dessen Talkshows sie sich als besonnene und intelligente Gesprächspartnerin auszeichnet, was sich bruchlos in ihrer Autobiographie „Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann“ (2006) fortsetzt. Sie ist im Theater, bei Lesungen, als Synchronsprecherin, Hörbuchleserin und Chansonsängerin tätig.
Zu Senta Bergers Auszeichnungen gehören Bambi, Bravo Otto, Romy, Karl-Valentin-Orden, Bundesverdienstkreuz, Berliner Ehrenbär, Grimme-Preis und Stern auf dem Boulevard der Stars.
Senta Berger ist seit 1966 mit Arzt, Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur Michael Verhoeven („MitGift“) verheiratet, den sie 1963 bei den Dreharbeiten zur Romanze „Jack und Jenny“ kennenlernte und der Regie bei ihren Serien „Die schnelle Gerdi“ und „Lilli Lottofee“ führte. Sie haben die Söhne Luca und Simon, der mit den Komödien „Männerherzen“ Erfolge feierte. Senta Berger lebt in Grünwald bei München.
Michael Verhoeven
Mit einem Jubelsturm wurde 1990 auf der Berlinale seine Tragikomödie „Das schreckliche Mädchen“ im offiziellen Wettbewerb aufgenommen, gewann den Silbernen Bären und wurde für den Oscar nominiert. Für Regisseur, Autor und Produzent Michael Verhoeven, Ehemann der Schauspielerin Senta Berger, war das eine späte Genugtuung, hatte doch seine Anti-Vietnam-Krieg-Parabel „o.k.“ (mit Eva Mattes als von vier Soldaten vergewaltigtes Mädchen) 1970 zum Abbruch der Berlinale geführt.
In zeit- und gesellschaftskritischen Filmen fand Verhoeven als Regisseur seine Stoffe: „Das schreckliche Mädchen“ schildert den authentischen Kampf einer engagierten Journalistin (Lena Stolze) gegen die Verdrängung der Nazi-Vergangenheit in einer deutschen Bischofsstadt (gemeint ist Passau). Das Thema griff Verhoeven mehrfach auf: „Die weiße Rose“ (1982) behandelt den Fall der gleichnamigen Münchner Widerstandsgruppe um die studentischen Geschwister Scholl, schuf eine neue Sicht der Dinge um die Gruppe, die politischer war, als bis dahin angenommen, und brachte Lena Stolze in ihrem Filmdebüt den Deutschen Filmpreis („Filmband in Gold“) ein. „Mutters Courage“ (1996), nach einer Erzählung von George Tabori, kreist um den Tag, an dem Taboris Mutter in Ungarn verhaftet wurde und dem KZ um Haaresbreite entkam. Produktion und Kamera des Films erhielten den Bayerischen Filmpreis und den Bundesfilmpreis.
Vor seiner Arbeit als Regisseur war der 1938 in Berlin geborene Verhoeven, Sohn des Regisseurs und Schauspielers Paul Verhoeven, selbst Schauspieler und spielte in jugendlichen Rollen in Filmen wie „Das fliegende Klassenzimmer“ (Version 1953), „Marianne“ (1954), „Der Pauker“ (1958) und „Ein Student ging vorbei“ (1960). 1966 schloss er ein Medizinstudium ab und heiratete Senta Berger, der er bei Dreharbeiten zu dem Liebesfilm „Jack und Jenny“ (1963) begegnet war.
1966 gründeten die beiden auch die Sentana Produktion, deren erster Film „Paarungen“ eine Strindberg-Verfilmung war. Mit Berger in der Hauptrolle entstanden die schwarze Komödie „MitGift“ (Kino 1975), der Krimi „Killing Cars“ (Kino 1986) und der TV-Film „Zimmer mit Frühstück“ (1999), in dem Berger eine Luxuslady spielt, die gezwungen wird, Zimmer zu vermieten. Populär wurden die seiner Gattin auf den Leib geschriebenen TV-Serien „Die schnelle Gerdi“ (1989, Sechsteiler mit Berger als patenter Münchner Taxifahrerin) und „Lilli Lotttofee“ (1992, Sechsteiler mit Berger als von Männern abhängige Frau auf dem langen Weg der Selbstfindung).
In der Dokumentation „Die Verhoevens“ von Felix Moeller rücken sein Vater, er und seine restliche „Filmfamilie“ in den Fokus, was mitunter sehr amüsante Geschichten ans Tageslicht bringt. Nach jahrzehntelanger Auszeit führte er 2005 in der Tatortfolge „Die Spieler“ erneut Regie, konzentrierte sich dann aber wieder auf politische Filme. So konnte er nach neun Jahren Recherchearbeit seinen ersten Dokumentarfilm „Der unbekannte Soldat“, der über die Verbrechen der Wehrmacht in der Ukraine berichtet, fürs Kino freigeben. 2008 ging er in seiner nächsten Dokumentation „Menschliches Versagen“ der Frage nach, inwiefern die bürgerliche Bevölkerung von der systematischen Beraubung der Juden in Nazi-Deutschland profitieren. Ein Jahr zuvor wurde der engagierte Regisseur mit dem Ehrenpreis des Bayerischen Filmpreises ausgezeichnet.
Die TV-Auftragsarbeiten, u. a. ein Biopic mit Heiner Lauterbach als „Semmelweis, Ignaz – Arzt der Frauen“ oder „Eine unheilige Liebe“, finanzieren Verhoevens Kinoprojekte und Dokumentararbeiten („Das Mädchen und die Stadt“, „Tabori – Theater im Leben“). Verhoevens intensive Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus entstand aus seinem Verständnis heraus, das „starke Defizit, was auch auf eine sehr negative Weise die Geschichte der Bundesrepublik mitgeschrieben hat“, zu verarbeiten. Verhoeven und Berger haben zwei Söhne: Luca ist Musiker und Schauspieler, Simon gab 2001 mit „100 Pro“ sein vom Vater koproduziertes Regiedebüt.