Über die Strategien von Sendern und Mediatheken im Bereich der dokumentarischen Formate sprach Moderatorin Ute Soldierer beim 5. NRW-Dokutag der Film- und Medienstiftung NRW mit drei Verantwortlichen. Christiane Hinz, Leiterin der Programmgruppe „Dokumentation/Kultur und Geschichte“ beim WDR, zeigt sich dabei erfreut über die dynamische Entwicklung im Markt für Dokumentarfilme und -serien. Neue Erzählformen, neue Themen und neue Communitys würden erschlossen. Auch der WDR setze bei geeigneten Formaten auf eine „Online First“-Strategie. Eine Vorab-Auswertung in der Mediathek könne durchaus positive Effekte für die lineare Ausstrahlung haben und diese bewerben, betonte Hinz. Vor allem jüngere Nutzer legten aber Wert auf das zeitsouveräne Schauen im Internet. Gerade auch in dieser Zielgruppe seien Dokus wie „Bhagwan – Die Deutschen und der Guru“ oder „Ich bin Greta“ in der Mediathek erfolgreich gewesen. Auch der eigene Youtube-Kanal WDR Doku mit mehr als 600.000 Abonnenten spiele bei der Erschließung neuer Zielgruppen eine wesentliche Rolle, so Hinz. Bei der Produktion von dokumentarischen Formaten sei es für den WDR besonders wichtig, junge Talente mit Folgeaufträgen an sich zu binden, um der Konkurrenz durch die Streamer entgegenzutreten.
Bei der virtuellen Konferenz kam auch Henning Tewes, Geschäftsführer RTL Televison und Co-Geschäftsleiter der Streaming-Plattform TV Now, zu Wort. Er betonte, dass bei der Auswahl von dokumentarischen Stoffen neben dem inhaltlich-narrativen vor allem auch der emotionale Zugang eine wichtige Rolle spiele. Eine hoch budgetierte Produktion wie die Verfilmung des Wirecard-Skandals könne in dieser Hinsicht ebenso attraktiv sein wie die regional angesiedelte Serie über den Fußballverein MSV Duisburg, in der der prominente Fan Joachim Llambi mitwirkt. Letztlich zeige diese zunächst auf sechs Teile angelegte Langzeit-Doku auch, dass man bei Formaten grundsätzlich keine Schere im Kopf habe, betonte Tewes. Länge, Ausspielform und Folgenanzahl müssten so angepasst werden, dass sie den jeweiligen Inhalten am besten gerecht würden. Es gehe nicht mehr darum, in Programmplätzen zu denken, sondern Protagonisten und Geschichten in den Vordergrund zu stellen. Gerade auch im Bereich der Dokumentation eröffne das Streaming eine neue kreative Freiheit, die das Genre auch für die privaten Anbieter zunehmend interessanter werden lasse.
Annina Zwettler, zuständig für Programmentwicklung digitale Medien und TV-Programmmanagement bei Arte Deutschland, berichtete beim NRW-Dokutag über den enormen Zuwachs um rund 50 Prozent, den der deutsch-französische Kulturkanal während der Pandemie vor allem bei der Nutzung seiner Online-Angebote verzeichnet habe. Dies gelte sowohl für den dokumentarischen als auch für den fiktionalen Bereich. Auch Drittplattformen wie Youtube oder Social-Media-Kanäle seien mittlerweile wichtige Plattformen für Arte. Die Mediathek als Herzstück werde mit gezielten Ankäufen für die „Online Only-Auswertung und durch die Bereitstellung von erfolgreichen Programmen aus dem Archiv weiter ausgebaut und gestärkt, berichtete Zwettler. Wichtig sei es, die unterschiedlichen Zielgruppen möglichst optimal zu bedienen. Bei Youtube zum Beispiel werde in Zusammenhang mit Arte häufig nach dem Begriff „lange Doku“ gesucht. Für die Mediathek sei es unterdessen wichtig, alle Folgen einer Doku-Serie auf einmal online stellen zu können. Um sich im Wettbewerb mit Netflix, Amazon und Co behaupten zu können, benötige der Sender langfristige Nutzungsrechte im Online-Bereich, betonte Zwettler. Mindestens 90 Tage wolle man die Programme verfügbar machen, ein Zeitraum von nur sieben Tagen sei mittlerweile nahezu undenkbar.