Im Rahmen des von ihr ausgerichteten 6. NRW-Dokutags in Köln vergab die Film- und Medienstiftung NRW am 4. Mai 2022 das Gerd Ruge Stipendium für die Entwicklung von anspruchsvollen Kinodokumentarfilmen. Die Verleihung fand zum mittlerweile 21. Mal statt – allerdings zum ersten Mal ohne den im Oktober 2021 verstorbene Namensgeber und Schirmherrn. Es sei aber frühzeitig klar gewesen, dass man das Stipendium im Sinne Ruges weiterführen wolle, betonte die Film- und Medienstiftungs-Geschäftsführerin Petra Müller in ihrer Eröffnungsrede.
Dieses Vorhaben unterstützen auch die Kinder des großen Journalisten und Reporters. Die Literaturagentin Elisabeth Ruge sowie der Diplomat und stellvertretende Vorsitzende Münchner Sicherheitskonferenz, Boris Ruge, waren bei der diesjährigen Verleihung persönlich vor Ort. Im Gespräch mit Moderatorin Ute Soldierer erinnerten sie sich an das Zusammenleben mit dem Vater, der in den 1960er Jahren u.a. als Korrespondent für die ARD in Washington tätig war. Die Atmosphäre in der US-Hauptstadt, geprägt von der Bürgerrechtsbewegung und den Diskussionen um den Vietnamkrieg, sei auch für die Kinder beeindruckend gewesen, berichtete Elisabeth Ruge.
Sie erinnerte sich auch an die umfangreiche Bibliothek ihres Vaters, die die unterschiedlichsten Bereiche von der Lyrik bis hin zu Non-Fiction-Themen aller Art abgedeckt habe. Seine Bücher seien für Gerd Ruge angesichts der vielen Wohnortwechsel immer ein Stück Heimat gewesen. Boris Ruge erklärte, dass sein Vater ihm in erheblichem Maße das Interesse an Außenpolitik vermittelt habe. Von ihm habe er auch gelernt, wie wichtig es sei, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen. Nicht zuletzt seien Menschenrechte immer ein bedeutendes Thema für Gerd Ruge gewesen. Er war u.a. Mitgründer der deutschen Sektion von Amnesty International.
Bevor Elisabeth und Boris Ruge die Urkunden an die fünf diesjährigen Stipendiat:innen vergaben, kamen zwei ausgezeichnete Filmemacher:innen aus den vergangenen Jahren zu Wort. Katja Fedulova hatte 2021 das Gerd Ruge Stipendium für „Wiederkehr“ erhalten, in dem sie sich mit der Geschichte und der aktuellen Situation der Krimtataren auseinandersetzt. Erste Dreharbeiten auf der Krim hätten bereits stattgefunden. Angesichts der aktuellen Ereignisse sei es derzeit aber äußerst fraglich, ob sie noch einmal auf die von Russland annektierte Halbinsel reisen dürfe, berichtete Fedulova. Womöglich müsse sie das Konzept des Films noch einmal überarbeiten.
Regisseur Jakob Preuss, dessen 2017 veröffentlichter Film „Als Paul über das Meer kam“ mit dem Ruge-Stipendium unterstützt worden war, schilderte ebenfalls seine Erfahrungen. Auch sein Projekt veränderte sich im Lauf der Entstehung grundlegend. Aus dem zunächst geplanten Dokumentarfilm über das Geschehen an mehreren EU-Außengrenzen wurde die Betrachtung eines einzelnen Flüchtenden und dessen beschwerlichen Wegs von Kamerun über Marokko und das Mittelmeer bis nach Europa. Den aktuellen Stipendiaten empfahl Preuss, auch bei schweren Themen den Humor nicht ganz außen vor zu lassen. Das sei sicherlich auch im Sinne Gerd Ruges.